Orientierung

 

Mit den Ohren sehen

Die Echoortung der Fledermäuse unterscheidet sich eigentlich gar nicht so sehr von der optischen Sichtweise des Menschen: Der Mensch nimmt zur Orientierung Lichtwellen wahr, die von Objekten reflektiert werden, Fledermäuse und andere Tiere nehmen hauptsächlich zurückgeworfene Schallwellen wahr, d.h. sie sehen mit den Ohren. Der entscheidende Unterschied liegt in den Quellen der Wellen: Während fast alle "Augentiere" das ständig indirekt auch im Mondlicht verfügbare Sonnenlicht nutzen, also mit einem passiven System arbeiten, erzeugen manche "Ohrentiere" durch Rufen ihre Schallwellen selber, nutzen also ein aktives Orientierungssystem.

Fledermäuse geben allerdings kein "akustisches Dauerlicht" ab, sondern unterbrechen ihre Ortungsrufe, um inden kurzen Pausen dem Echo zu lauschen. Die Schallortung funktioniert also nicht per Dauerton, sondern periodisch, so wie wenn Sie nachts mit einer blinkenden Taschenlampe durch den Wald laufen würden. Sie sehen dann auch nur in den Momenten, in denen die Taschenlampe eingeschaltet ist. Je schneller Fledermäuse rufen, desto genauer wird das Bild, das sie sich von ihrer Umgebung machen. Aus diesem Grund rufen Fledermäuse bei Annäherung an ein Beuteinsekt immer häufiger, bis die Rufserie schliesslich mit einem kurzen niederfrequenten Summton unmittelbar vor dem Beutefang abbricht. Da sie ihr Echo hören, würden sie auch ihre eigenen Schreie hören - und das würde ihr empfindliches Gehör schädigen. Deshalb zieht ein Muskel im Innenohr den Bruchteil einer Sekunde vor dem Schrei den Steigbügel von der schalleitenden Membran zurück. Der Ruf wird so nicht weitergeleitet, sie sind kurzzeitig taub.

Natürlich reicht das blosse Erfassen und die Grösse eines Hindernisses, beziehungsweise eines Beutinsekts nicht. Fledermäuse müssen auch wissen, wo genau sich das Ortungsobjekt befindet. Wie finden sie das heraus? Die Entfernung messen sie an der Laufzeit des Echos, d.h. sie errechnen aus der Zeit, welche zwischen Ortungsruf und Echorückkehr verstreicht, die Entfernung zum angepeilten Objekt.

Fernorientierung

Viele einheimische Fledermäuse sind auf reich strukturierte Landschaften angewiesen, um sich zurechtfinden zu können, denn sie brauchen viele akustisch erkennbare Fixpunkte und meiden offene Landschaften. Zusätzlich kommt ihnen ihr hervorragendes Raumgedächtnis zur Hilfe, was aber dazu führt, dass sie sich nur schlecht an schnelle und drastische Landschaftsveränderungen anpassen können. Dies gilt für die räumliche Tagesschlafquartierstruktur, die nähere Umgebung des Tagesschlafquartiers, die Flugrouten in die Jagdgebiete und auch für die Jagdgebiete selber.

Geschichtlicher Hintergrund

Lange Zeit konnte man sich nicht erklären, warum Fledermäuse sich auch bei völliger Dunkelheit zielsicher in ihrer Umgebung bewegen können. Man schrieb ihnen übersinnliche Kräfte zu und brachte sie mit dunklen Mächten in Verbindung. So wurden z.B. Teufel in der christlichen Kunst mit Fledermausflügeln dargestellt.

Erste Versuche zur Orientierung der Fledermäuse unternahmen Lazzaro Spallanzani, Bischof von Padua, und Naturforscher und der Genfer Naturforscher Louis Jurine Ende des 18. Jahrhunderts. Wurde den Tieren das Augenlicht durch Blenden zerstört (Spallanzani), so behielten sie ihre Orientierungsfähigkeit bei. Erst durch den zusätzlichen Verschluss der Ohren mit Wachs (Jurine) wurden sie hilflos und desorientiert.

Nach einigen technischen Neuerungen entdeckte Donald Griffin 1938 mit Hilfe hochsensibler Mikrofone, dass die Fledermäuse nicht lautlos durch die Luft fliegen, sondern im Gegensatz dazu viele hochfrequente Rufe ausstoßen, die grösstenteils oberhalb der menschlichen Wahrnehmung liegen und deshalb bis dahin nicht beachtet wurden.

Etwa zur gleichen Zeit und unabhängig von Griffin kam 1943 Sven Dijkgraaf zur gleichen Erkenntnis. Allerdings konnte er die Rufe der Fledermäuse hören, was einigen Menschen bei niederfrequenteren Rufen gegönnt ist. Dijkgraaf stellte sodann durch Experimente fest, dass die Tiere ohne die Rufe so hilflos waren, wie ohne ihr Gehör.

Sowohl Griffin als auch Dijkgraaf kamen zu folgendem Ergebnis: Die Fledermaus stösst bei ihren nächtlichen Flügen rasch aufeinanderfolgende Ultraschalllaute durch das Maul bzw. durch die Nase aus, empfängt mit ihrem ausserordentlich feinen Gehör die Echos, welche die Umgebung zurückwirft und ihr Gehirn verarbeitet diese sodann zu einem Hörbild der Umgebung.

 

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Gaby Staehlin, Sonnenbühlstr. 16, 8405 Winterthur